Grau, blau, lila oder grün: Wasserstoff ist bunt
12.12.2024

Grau, blau, lila oder grün: Wasserstoff ist bunt

Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, Technischen Werken sowie Wirtschaftsbetrieb Ludwigshafen mit der Heinrich Pesch Siedlung und dem Heinrich Pesch Haus und wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.

Dominik Baumann, Gruppenleiter Projektabwicklung Dezentrale Anlagen bei der TWL Ludwigshafen, führte die Teilnehmenden zunächst ins Thema ein. „Wasserstoff ist ein nicht-toxisches, geruchsloses Gas und wurde bereits 1783 entdeckt“, sagte er. In der Energieversorgung sei Wasserstoff schon seit dem 19. Jahrhundert als Stadtgas bekannt, so auch in Ludwigshafen. Heute wird von blauem, grünem, pinkem oder weißem Wasserstoff gesprochen. „Damit bezeichnet man die verschiedenen Produktionsmethoden“, erläuterte Baumann. Wasserstoff könne zum Beispiel aus fossilen Quellen – die derzeit vorherrschende Methode –, aber auch aus Kernenergie oder aus Elektrolyse mit grünem Strom gewonnen werden. „Hier spricht man von Power to gas“. Den Wirkungsgrad von Elektrolyse bezifferte Baumann mit rund 70 Prozent. Ebenso wurde klar: wirklich klimaschonend ist Wasserstoff nur dann, wenn er aus regenerativen Energien gewonnen wird – der sogenannte grüne Wasserstoff.  

Vielseitiger Energieträger

Grüner Wasserstoff könne im Verkehr, in der Industrie, in Kraftwerken und im Haushalt eingesetzt werden. Klar ist: „Die Wasserstoffproduktion ist verlustbehaftet und energieintensiv“, so der Experte. Daher sei es wichtig, Wasserstoff sinnvoll einzusetzen, zum Beispiel in energieintensiven Industrien. „Derzeit läuft in Deutschland die Transformation des Netzes von Erdgas zu Wasserstoff“, informierte Baumann über den zukünftigen Einsatz von Wasserstoff und die nationale Wasserstoffstrategie. So sei zunächst ein Wasserstoffstartnetz mit 1800 Kilometern geplant, bis 2032 solle das sogenannte Wasserstoffkernnetz mit ca. 9000 Kilometern in Betrieb gehen. 60 Prozent davon sollen durch die Umstellung bestehender Leitungen, 40 Prozent durch Leitungsneubau entstehen. „Als vielseitiger Energieträger und Rohstoff ist Wasserstoff ein wichtiger Baustein zum Gelingen der Energiewende“, betonte Baumann.

Erprobung am Heinrich Pesch Haus

An mehreren Stellen in der Metropolregion Rhein-Neckar wird Wasserstoff bereits eingesetzt – so zum Beispiel auch am Heinrich Pesch Haus. Mit einem Solar-Wasserstoff-System zur Herstellung und Verwendung von Wasserstoff für die eigene Energieversorgung wird ein Gebäudeteil des Heinrich Pesch Hauses zu 80 Prozent autark mit Energie versorgt. Die Anlage wird derzeit in enger Zusammenarbeit mit TWL erprobt und soll später das Begegnungshaus in der Heinrich-Pesch-Siedlung mit Strom und Wärme versorgen.

Wie funktioniert das?

Solarpaneele auf dem Flachdach erzeugen Strom. Ein Teil des Stroms wird während der Sommermonate durch einen Elektrolyseur in Form von Wasserstoff gespeichert. Im Winter trägt die in dem Wasserstoff gespeicherte Energie zur Strom- und Wärmeversorgung des Gebäudes bei. Dazu erfolgt die Rückverstromung in einer Brennstoffzelle. „Wir können mit der Anlage einen hohen Autarkiegrad vom Energienetz erreichen, weil wir nicht genutzte Energie speichern können“, brachte Dominik Baumann die Vorteile auf den Punkt.„Der Einsatz von Wasserstoff passt hervorragend zum ökologischen und Energie-Konzept der Heinrich-Pesch-Siedlung“, betonte Prof. Joachim Alexander, Klima-Experte für die Heinrich-Pesch-Siedlung, der im Anschluss das Bauvorhaben mit 800 Wohnungen für 2000 Menschen vorstellte. Die Siedlung, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Heinrich Pesch Haus entsteht, legt besondere Schwerpunkte auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

Wasserstoff getriebenes Fahrzeug bei der Müllabfuhr

Lokale Beispiele zum Einsatz von Wasserstoff lieferte zunächst Peter Nebel, Werksleiter des Wirtschaftsbetriebs Ludwigshafen. In seinem Fuhrpark ist – neben zahlreichen batterieelektrischen Fahrzeugen in den leichteren Fahrzeugklassen N1 und N2 zum Transport von geringen Lasten – auch ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellenfahrzeug der Klasse N3 zur Abfuhr von Müll im Einsatz – mit vielen positiven, aber auch einigen negativen Erfahrungen: von der deutlich reduzierten Geräuschkulisse des Fahrzeugs könnten nicht nur Anwohner*innen, sondern auch die Müllwerker*innen profitieren, die täglich über mehrere Stunden damit im Einsatz sind. Neben den verminderten Lärmemissionen sind im Betrieb auch keine weiteren Emissionen zu verzeichnen, was die lokale Luftqualität verbessert. Da bei dieser Antriebsart im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen eine deutlich kleinere Batterie notwendig ist, müssen bei der Produktion weniger Ressourcen eingesetzt werden – nicht nur ein ökologischer, sondern vor dem Hintergrund ausbeuterischer Bedingungen beispielsweise im Lithiumabbau auch ein sozialer Vorteil. Die eklatant höheren Anschaffungskosten lassen sich laut Peter Nebel jedoch nur durch entsprechende Fördermöglichkeiten vertreten, um kommunale Haushalte nicht zu überlasten

Region breit aufgestellt

Dr. Doris Wittneben, Leiterin des Bereichs Zukunftsfelder und Innovation in der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, machte anschließend deutlich, dass die Region in Bezug auf Wasserstoff seit langem aktiv und bereits gut aufgestellt ist: so existiert auf der Friesenheimer Insel in Mannheim seit 2023 ein Zentrum zur Abfüllung von Wasserstoff. In Heidelberg und Mannheim sind wasserstoffbetriebene Busse im Einsatz, die an eigens dafür errichteten Betriebshöfen betankt werden. Gerade im Oktober 2024 wurde auch in Frankenthal eine Wasserstofftankstelle eröffnet. „Die Industrie wird zum größten Wasserstoffabnehmer in der Region und Treiber einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft in der Metropolregion“, so Wittneben; Haushalte und Individualmobilität spielen eine eher untergeordnete Rolle. Neben dem bereits bestehenden Wasserstoffkernnetz soll die Versorgung ab 2040 auf einem zusätzlichen europäischen Wasserstoffnetz basieren.
In der abschließenden Diskussion waren sich Teilnehmer*innen und Referent*innen einig, dass Wasserstoff beispielsweise in den Bereichen Industrie, Schifffahrt und Personennahverkehr einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann. Neben entsprechenden Modellprojekten und Reallaboren, wie sie im Rahmen des Fachtags vorgestellt wurden, müssen dafür auch die finanziellen Förderkulissen angepasst werden. Nicht zuletzt stellt der sehr unterschiedliche Wissensstand zum Thema Wasserstoff in der Bevölkerung einen Faktor dar, um Ängste vor der Technologie zu nehmen und Bereitschaft zum Ausprobieren zu erhöhen.

Eine abschließende Führung zum Wasserstoff-Kompaktsystem im Heinrich Pesch Haus rundete die Veranstaltung ab.

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