„Glaube ist wichtiger als konfessionelle Grenzen“
29.10.2021

„Glaube ist wichtiger als konfessionelle Grenzen“

„Gemeinsam unterwegs ist die Übersetzung von Synode und Synodalität“, sagte Moderatorin Katharina Goldinger, die im Bistum Speyer Ansprechpartnerin für den Synodalen Weg ist. Beide Kirchen seien zunehmend der Säkularisierung ausgesetzt. „Dabei entstehen neue Gemeinsamkeiten – der Glaube wird wichtiger als konfessionelle Grenzen“. Mit diesen Worten setzte sie den Rahmen für das Podiumsgespräch zwischen Anja Goller, Generalvikarin der alt-katholischen Kirche, Sabine Clasani, Pfarrerin der alt-katholischen Gemeinde Mannheim, und den Generalvikaren der Bistümer Essen und Speyer, Klaus Pfeffer und Andreas Sturm.

Was die römisch-katholische Kirche und Alt-Katholik*innen voneinander lernen können

Ulrike Gentner, Direktorin Bildung im Heinrich Pesch Haus, eröffnete das Podiumsgespräch mit den  vier Kirchenvertreter*innen mit der Frage, was sie an der jeweils anderen Kirche fasziniert, bewegt und erstaunt. Für die beiden Alt-Katholikinnen ist es die Größe und Internationalität: „Es sind so unglaublich viele Menschen im Glauben unterwegs. Dadurch entsteht eine große Vielfalt“, sagte Generalvikarin Goller. Es bewege sie, dass diese Vielfalt durch Strukturen an ihre Grenzen komme, die das Leben in dieser Vielfalt erschweren. „Manchmal schaden Strukturen den Menschen und führen dazu, dass sie sich von Kirche und Glauben abwenden. Das betrifft uns allgemein als Kirche und macht mich traurig.“ Pfarrerin Clasani wies auf den Aufbruchsgeist in der römisch-katholischen Kirche im Synodalen Weg hin: „Ich habe das Gefühl, da ist was in Bewegung“.

Krise des gesamten Christentums

Für die beiden Generalvikare ist es faszinierend, dass es bei der alt-katholischen Kirche viele Dinge gibt, um die die römisch-katholische Kirche im Synodalen Weg ringe und streite. „Es wundert mich, dass die alt-katholische Kirche über Jahrzehnte so klein geblieben ist, obwohl doch viele frustrierte römisch-katholische Gläubige denken könnten: Lass uns dorthin ziehen!“, sagte Generalvikar Pfeffer. Er konstatierte eine Krise des gesamten Christentums, nicht nur einer Kirche: „Ist es da nicht angezeigt, dass alle christlichen Konfessionen wieder aufeinander zugehen?“, fragte er.

In der geringen Größe der alt-katholischen Kirche sieht Generalvikar Sturm durchaus Vorteile: „Sie kennen einander gut und wissen umeinander. Das fehlt in unseren großen Gebilden von Pfarreien“. Der alt-katholische Kirche sei es gelungen, katholisch-bischöflich strukturiert und gleichzeitig synodal zu sein. „Das wird von uns häufig als ein Gegensatz gesehen, der sich nicht vereinbaren lässt. Hier können wir voneinander lernen“, so Sturm.

Warum gibt es bei den Altkatholiken nur wenige Priesterinnen?

Schnell kamen die vier Kirchenvertreter*innen dann miteinander ins Gespräch. Die Generalvikare zeigten sich sehr interessiert an den Strukturen der Alt-Katholiken. „Mich verwundert, dass es trotz der Möglichkeit der Frauenordination bei Ihnen nur wenige Priesterinnen gibt. Woran liegt das?“, wollte Generalvikar Sturm beispielsweise wissen.

Generalvikarin Goller hatte dafür nur Vermutungen und Beobachtungen: „Es kann am fehlenden Vorbild liegen“, sagte sie, denn bei 13 Priesterinnen und Diakoninnen in der alt-katholischen Kirche sei es immer noch ein ungewohntes Bild, wenn Frauen Gottesdienst feiern. Auch die erforderliche Mobilität – es gibt nur 40 hauptamtliche Gemeindestellen in Deutschland – sei für Frauen oft schwieriger zu leisten. Fehlende Teilzeitstellen könnten ein weiterer Grund sein.

Wie Synodalität funktioniert

Die beiden Alt-Katholikinnen erklärten dann, wie ihre Kirche organisiert ist und wie Synodalität funktioniert: So wählen alle Gemeinden die sogenannten Synodalen, die alle zwei Jahre in der Synode zusammenkommen, dem höchsten Gremium der Kirche. Neben diesen Laien gehören alle hauptamtlichen Geistlichen und der Bischof der Synode an. „Jeder, auch der Bischof, hat bei Entscheidungen eine Stimme“, erläuterte die Generalvikarin. Und Pfarrerin Clasani ergänzte: „Das ist völlig selbstverständlich, das ist unsere DNA.“ So war auch die Frauenordination vor 25 Jahren ein Synodenentscheid. Und aktuell wird gerade die Frage diskutiert, ob das Sakrament der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren gespendet werden kann „Wir schauen nach Lösungen und nehmen uns Zeit für die Diskussion“, so die Pfarrerin.

Sabine Clasani
Sabine Clasani
Anja Goller Generalvikarin
Anja Goller
Generalvikar Klaus Pfeffer
Klaus Pfeffer
Generalvikar Andreas Sturm
Andreas Sturm

„Es ist nicht mit Kosmetik getan“

„Welchen Beitrag kann der Synodale Weg für Deutschland leisten“, wandte sich Ulrike Gentner dann an die Generalvikare. „Ich wünsche mir, dass wir schauen, was uns verbindet und wie wir gut miteinander nach vorne gehen können“, sagte Generalvikar Sturm. Die extremen Positionen an den Rändern erschwerten allerdings eine Einigung. „Ich hoffe, dass wir als Kirche rechtzeitig begreifen: Es ist nicht mit Kosmetik getan, es muss tiefgreifende Veränderungen geben“.

Generalvikar Pfeffer wies darauf hin, dass es auch in der römisch-katholischen Kirche an vielen Stellen bereits Synodalität gebe. Als Beispiel nannte er aus seinem Bistum die seit einigen Jahren laufenden Pfarreientwicklungsprozesse, in denen die Gläubigen mit ihren Gremien gemeinsam darum ringen, wie sie ihr kirchliches Leben unter veränderten Bedingungen gestalten wollen. Dabei gehe es um inhaltliche Schwerpunktsetzungen, aber auch um den Erhalt oder die Schließung von kirchlichen Gebäuden. „Die Entscheidungen sollen die Pfarreien miteinander in ihren Gremien erringen.“

 Hier wie auch anderswo zeige sich allerdings, dass die römisch -katholische Kirche noch ungeübt sei im Miteinander-Ringen um schwierige Entscheidungen, räumte er ein. „Synodalität heißt nicht, wir diskutieren ein bisschen, stimmen ab und erledigt, sondern es ist ein heftiges Ringen, um zu vermeiden, dass wir auseinanderbrechen“.

Es geht nicht ohne Frauen als Priesterinnen

Ganz deutlich positionierten sich die Generalvikare in der anschließenden Diskussion für die Frauenordination. „Wir müssen in unserer Kirche erreichen, dass Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu allen Ämtern erhalten – auch wenn es nicht einfach ist, in einer Weltkirche mit sehr unterschiedlichen Auffassungen bestimmte Entwicklungen voranzubringen“, sagte Pfeffer. Gerade auch mit Blick auf die schwindenden Priesterzahlen könne die römisch-katholische Kirche auf Dauer nicht auf Frauen als Priesterinnen verzichten. Vielleicht müsse man lernen, dass es in der Weltkirche auch unterschiedliche Entwicklungen geben dürfe. „Wir brauchen in einer pluralen Welt plurale Formen von Kirche-sein“, forderte Pfeffer und Generalvikar Sturm ergänzte: „Es muss doch möglich sein, trotz der Einheit mehr Vielfalt zuzulassen.“

Menschen für den Glauben begeistern

Zum Abschluss wandte sich die Diskussion der Frage zu, wie man Menschen für Kirche und Glauben begeistern könne. Denn dies ist ein Thema, das alle Kirchen verbindet. Generalvikar Pfeffer sah den Abend als Signal an die unterschiedlichen Konfessionen, sich zusammen zu tun und gemeinsam nach dem zu fragen, was uns trägt und verbindet und wie wir miteinander Christsein lebendig werden lassen können. Generalvikar Sturm rief dazu auf, Zeugnis von dem zu geben, für das wir brennen: „Es ist dieser Jesus, warum wir gesagt haben, ich will mein Leben mit ihm verbringen und das auch an andere weiterzugeben. Es tut gut zu wissen, wir sind in unserer Kirche nicht alleine, sondern können auch voneinander lernen und dann gemeinsam Zeugnis geben.“ (ako)

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