In seinem Schlusswort betonte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann die Notwendigkeit eines differenzierten Blicks auf herausfordernde ethische Fragestellungen. Kerstin Hofmann, Leiterin der Familienbildung im Heinrich Pesch Haus, moderierte das Gespräch.
Eine andere Frau ein Kind für sich austragen zu lassen, ist hochumstritten. Manche Paare suchen Hilfe im Ausland, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen, da in Deutschland alle Formen der Leihmutterschaft bislang verboten sind. Eine durch die Bundesregierung eingesetzte Kommission soll nun die Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft, also der nicht-kommerziellen und selbstlosen Leihmutterschaft, prüfen. Auch die Legalität einer Eizellenspende wird geprüft. Ergebnisse werden im Frühjahr erwartet. „Das Thema spielt eine gesellschaftliche Rolle. Daher ist es wichtig, dass wir uns kundig machen“, sagte die Beiratsvorsitzende der Bischöflichen Stiftung für Mutter und Kind, Marlies Kohnle-Gros in ihrer Begrüßung.
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl beleuchtete die altruistische Leihmutterschaft dann aus ethischer Sicht. „Leihmutterschaft ist die zur Verfügungstellung der eigenen Leiblichkeit zur Erfüllung des Elternwunsches anderer Personen nach einem Kind“, definierte er zunächst den Begriff. Für eine Leihmutterschaft könne es unterschiedliche Gründe geben, etwa medizinische oder einen fehlenden Partner. Der Ethik-Professor arbeitete dann drei zentrale ethische Kriterien heraus: Das sind zum einen die reproduktive Autonomie der Wunscheltern, zum zweiten die Selbstbestimmung der Leihmutter und drittens – und für Lob-Hüdepol am wichtigsten – das Wohl des Kindes.
„Die reproduktive Autonomie ist ein Abwehrrecht, kein Verschaffungsanspruch gegen Dritte“, stellte er klar und betonte: „Niemand hat ein Recht auf ein Kind“. Die reproduktive Autonomie der Wunscheltern gelte unter der Bedingung, dass die Würde und Rechte der Leihmutter gewahrt bleiben, ebenso wie das Kindeswohl. „Zum Wohl gehört auch zu wissen, von wem ich biologisch abstamme“, sagte er. Zu wissen, dass man nur aus kommerziellen Gründen geboren wurde, könne eine Belastung sein. Eine altruistische Leihmutterschaft könne hier ein Ausweg sein – „Sie ist im besten Sinne ein Mitleiden mit den kinderlosen Wunscheltern“.
Psychologin Prof. Dr. phil. Beate Ditzen wies darauf hin, dass Leihmutterschaft in den Medien gerade wie ein Modephänomen dargestellt werde. Aber gerade mit Blick auf den Ukrainekrieg werde das Thema auch kritisch und ausgewogen diskutiert. Wie Studien zeigen, gebe es bei Wunscheltern wie auch Kindern keine psychologischen Auffälligkeiten, auch wenn die pränatale Mutter-Kind-Bindung nicht möglich sei. Häufig sei das Einkommen der Wunscheltern überdurchschnittlich hoch, während die Leihmutter ökonomisch schlechter gestellt sei. „Personen können unter einem fehlenden Kind leiden, aber es ist nicht lebensbedrohend“, stellte sie klar. „Mit den Regelungen zur Lebend-Organspende haben wir ein Vorbild, wie die altruistische Leihmutterschaft in Deutschland funktionieren könnte“, sagte sie. Allerdings sei die Leihmutterschaft komplexer und die Konsequenzen weitreichender, weil das Kind miteinbezogen werden müsse.
Die praktischen und medizinischen Aspekte einer Leihmutterschaft stellte dann der Leiter des Ludwigshafener Kinderwunschzentrums, Dr. med. Tobias Schmidt, vor. „Unerfüllter Kinderwunsch ist ein uraltes Problem“, sagte er. Schon im 18. Jahrhundert habe es die erste Insemination in der Scheide gegeben, die erste künstliche Befruchtung dann 1978. Leihmutterschaft sei nur eine Möglichkeit der Familienbildung mit Hilfe Dritter. Während die Leihmutterschaft in Deutschland verboten sei, sei die Übertragung der Gebärmutter hingegen erlaubt. In der anschließenden Diskussion wehrte sich Schmidt gegen die Bezeichnung „wunscherfüllende Medizin“ für Reproduktionsmedizin. „Die Diagnose Sterilität ist einer onkologischen Diagnose gleichzusetzen. Sie trifft Paare im Innersten“, stellte er klar.
Mit Blick auf die ausstehende Entscheidung der Kommission der Bundesregierung forderte Schmidt gute Rahmenbedingungen für eine Leihmutterschaft: „keine kommerziellen Anreize, Rechtssicherheit für Spender und Empfänger und das Wissen des Kindes um seine Herkunft“.
In seinem Schlusswort wünschte sich Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann eine differenzierte ethische Betrachtung um diese Frage und den Mut, politische Lösungen zu finden, die der Komplexität der Fragestellung auch gerecht werden. „Es geht um die Fragen: Was ist der Mensch? Welche Würde hat der Mensch? Und wie kann diese Würde von Anfang an bewahrt werden“, so Wiesemann. „Es gehört zu unserem christlichen Auftrag mit hinzu, die Unantastbarkeit des Lebens von Anfang an ins Spiel zu bringen.“ Diese grundlegende und wesentliche Perspektive müsse in alle Diskussionen hineingetragen werden. „Wenn wir unsere Anliegen vor Gott tragen und nicht nur die technischen Lösungen thematisieren, kommt vielleicht eine Dimension mehr dazu“. (ako)
Die Bischöfliche Stiftung für Mutter und Kind unterstützt seit knapp 25 Jahren die Katholische Schwangerschaftsberatung in der Diözese Speyer finanziell und ideell, fördert Projekte kirchlicher Träger zugunsten schwangerer Frauen und sensibilisiert die Öffentlichkeit für den Schutz des ungeborenen Lebens. Mehr Informationen unter www.fuer-mutter-und-kind.de